Der Flurumgang

»Stauchung« eines Steinbesetzers

Alle 20 Jahre wird, unter Führung der Feldgeschworenen und Märker, die ganze Flurgrenze der Kernstadt zu den Nachbargemeinden abgelaufen und es wird der Sitz der einzelnen Grenzsteine überprüft. Rund 24 Kilometer ist diese Strecke lang und sie wird an einem Tag absolviert.

Den ersten protokollarisch verbürgten Umgang in Königsberg gab es im Jahre 1607. In früheren Jahrhunderten wiederholten sie sich alle sieben Jahre. Später wurden die Zeitabstände unregelmäßig. Von 1872 bis 1962 fanden sie alle 30 Jahre statt, dann im 20–jährigen Turnus.

Immer schon konnten die Flurumgänge viele Teilnehmer verzeichnen. Angeführt von den Feldgeschworenen und einem städtischen Bediensteten mit einer roten Fahne geht es nach der Begrüßung durch den Bürgermeister auf dem Marktplatz frühmorgens hinaus aus Königsberg den Altershäuser Berg hinauf zum ersten Grenzstein, dem eigentlichen Ausgangspunkt des Flurumganges.

Flurumgang

Die sonderbare Inschrift auf diesem ersten Grenzstein, die nur aus einzelnen Buchstaben besteht, lautet: »H-F-D-K-A-W-S-U-D-F-G-Z-L-H«, was nichts anderes bedeutet als: »Hier Fangen Die Königsberger An, Wenn Sie Um Die Flur Gehen, Zur Linken Hand«.

Bei jedem Flurumgang wird an sechs Steinen traditionell schon seit eh und je ein junger Grenzsteinbesetzer »gestaucht«. Dabei wird der Junge oder das Mädchen dreimal hoch gehoben und wieder mehr oder weniger sanft auf den Stein abgelassen. Anschließend werden die »Besetzer« noch dreimal am Ohr um den Stein geführt. Verbunden ist diese Zeremonie unter anderem mit der Aufforderung des »Stauchers« sich die Lage des Grenzsteins einzuprägen und die Heimat nicht zu vergessen. Oft werden diese Steine schon Stunden vorher besetzt. Nicht nur, weil der »Gestauchte« vom »Staucher« ein »Schmerzensgeld« erhält, sondern auch, weil die Besetzer natürlich in das Archiv der Stadt Königsberg eingehen. Das »Stauchen« ist Aufgabe von Bürgermeister, dem Obmann der Feldgeschworenen und weiteren verdienten Bürgern.

»Stauchung« eines Steinbesetzers

Unterwegs wird natürlich auch eine längere Mittagspause eingelegt, bei der alle Teilnehmer bestens versorgt werden. Auch musikalische Unterhaltung ist vorhanden und es werden zudem Teilnehmer geehrt, die bereits bei mehreren der letzten Flurumgänge dabei waren.

Am späten Nachmittag kommen alle Teilnehmer wieder am Marktplatz in Königsberg an, wo sie wiederum musikalisch begrüßt werden. Nach dem Dank des Bürgermeisters marschiert man zu den Klängen der Musikkapelle gemeinsam zur Stadthalle, wo man, gut bewirtet, den Tag ausklingen lässt.